Madagassische Strahlenschildkröte Astochelys radiata Shaw, 1802

Von den fünf Landschildkrötenarten, die man heute auf Madagaskar findet, ist Astrochelys radiata die bekannteste. Sie gilt aufgrund ihrer auffälligen Strahlenzeichnung als eine der schönsten und am meisten bewunderten Landschildkrötenarten der Welt. Sie ist die nächste Verwandte der Madagassischen Schnabelbrustschildkröte (Astrochelys yiniphora), welche nur noch in einem kleinen Verbreitungsgebiet im Nordwesten von Madagaskar vorkommt. Beide Arten sind in ihrem Bestand stark gefährdet, die Strahlenschildkröte aufgrund der grösseren geografischen Verbreitung jedoch weit weniger als die Schnabelbrustschildkröte.

Die Strahlenschildkröte sowie ihre Schwesterart wurden lange Zeit der Gattung Geochelone zugeordnet. Dies war über einen längeren Zeitraum in Frage gestellt worden und 2007 wurden diese beiden Arten wieder in die auf Madagaskar endemische und nur diese beiden Arten umfassenden Gattung Astrochelys Gray, 1873 eingeordnet.

Von einheimischen Stämmen wird Astrochelys radiata auf Malagasy auch Sokake, Kotroky oder Tsakafy genannt.

Der Artname «radiata» bedeutet im Lateinischen «strahlend» und bezieht sich auf die signifikante, strahlenförmige Panzerzeichnung dieser Art. Die individuelle Strahlenzeichnung ist nicht nur arttypisch, sondern auch ein einzigartiges und unverwechselbares Erkennungsmerkmal von jedem Exemplar. Das Linienmuster auf jedem Strahlenschildkrötenpanzer gibt es wie einen Fingerabdruck nur einmal auf der Welt.

Beschreibung

  • Grösse und Gewicht

    Mit einer Panzerlänge von bis zu 40 Zentimetern und einem Gewicht von 15 Kilogramm gehört die Strahlenschildkröte zu den verhältnismässig grossen Landschildkröten. Aufgrund konstanter, guter Bedingungen dürften Tiere in Gefangenschaft schneller an Grösse und Gewicht zulegen und eher maximale Körpermasse erreichen als Exemplare in freier Wildbahn. Adulte Männchen sind im Durchschnitt 7% grösser als adulte Weibchen (O’Brien, 2002).

    Messungen von adulten Strahlenschildkrötenpopulationen in freier Wildbahn ergaben folgende Daten: Die durchschnittliche Panzerlänge von adulten Männchen beträgt 33.4 cm (Spanne = 28.5-39.5 cm), das Durchschnittsgewicht von adulten Männchen beträgt 6.7 kg (Spanne = 4.5-10.5 kg). Die durchschnittliche Panzerlänge von adulten Weibchen beträgt 30.5 cm (Spanne = 24.2-35.5 cm), Durchschnittsgewicht von adulten Weibchen beträgt 5.5 kg (Spanne = 3.1-10.2 kg) (Pedrono, 2008).

  • Beschreibung

    Besonderes Merkmal dieser Art ist der äusserst hochgewölbte, kugelige und glatte Rückenpanzer mit den namensgebenden, auf jedem Panzersegment strahlenförmig nach außen verlaufenden gelblichen Linien auf dunklem Hintergrund. Bei den meisten Strahlenschildkröten ist die Grundfarbe des Panzers Lackschwarz mit von einem hellen Zentrum ausgehenden charakteristischen, gelben Streifen. Die umgekehrte Farbvariante mit hellgelben Untergrund und schwarzen Radialstreifen kommt seltener vor. Das bei jedem Exemplar individuel ausgeprägte Strahlenmuster setzt sich sowohl auf dem Rückenpanzer als auch auf dem Bauchpanzer fort. Die Grundfarbe des Plastrons ist Gelb und zeigt ein Muster mit schwarzen Flächen und Linien.

    Bei jungen Exemplaren ist die Strahlenzeichnung meist besonders farbintensiv und markant ausgeprägt. Mit dem Alter verblasst die charakteristische Zeichnung zunehmend und durch Abnutzung (Scheuern an Steinen und Büschen) sind die konzentrischen Wachstumsringe des Panzer meistens nicht mehr erkennbar. Sehr alte Exemplare können deshalb komplett verwaschen gelb oder schwarz sein. Man unterscheidet aufgrund des vorhandenen Gelbabteils zwischen dunklen und hellen Individuen. Besonders auffällig und beliebt sind Strahlenschildkröten, die eine deutliche, gleichmässige, auf allen Schilden ausgeprägte, gelbe Strahlenzeichnung aufweisen. Diese Exemplare werden auch als «High Yellow» bezeichnet. Tiere, die ganz ohne Zeichnung und komplett schwarz sind, kommen selten vor. Obwohl das gelb-schwarze Linienmuster auf den ersten Blick auffällig erscheint, lösen sich die Konturen einer ruhenden Strahlenschildkröten in einer trockenen Gras- oder Buschlandschaft völlig auf. Schlüpflinge von Astrochelys radiata besitzen im ersten Lebensjahr noch eine unscheinbare Babytarnzeichnung. Dadurch sind sie auf sandigen, steinigen Böden und in trockenem Laub besonders gut vor Fressfeinden geschützt. Das charakteristische Strahlenmuster wird erst mit dem Auftreten der ersten Wachstumsringe, nach ca. 1 ½ Jahren, sichtbar.

    Die Kopfoberseite ist aschefarben und kann mehrere helle Flecken aufweisen, die Kehle und der Hals sind cremefarben bis gelb. Die sehr stämmigen Beine und der Schwanz haben ebenfalls eine gelbe Färbung. Die Hornschuppen der Vorderbeine sind rund und flach. Die Krallen sind kegelförmig und eher stumpf. Im Gegensatz zu ihrer Schwesterart, der Madagassischen Schnabelbrustschildkröte, weist sie keine markante Verlängerung des Gularschildes am Vorderende des Bauchpanzers auf. Die hinteren Randschilde sind etwas aufgebogen und gesägt, das Schwanzschild ist ungeteilt und abwärts gebogen. Der Bauchpanzer ist gelb mit je einem großen schwarzen Dreieck am Außenrand der Arm-, Brust-, Bauch- und Schenkelschilde. Die Kehlschilde sind meist zeichnungslos. Die Afterschilde und manchmal auch die Bauchschilde weisen eine schwarze Strahlenzeichnung auf. Es ist ein Nuchalschild vorhanden, das Supracaudalschild ist ungeteilt und auf jeder Seite des Carapax befinden sich 11 Marginalschilder.

  • Alter

    Strahlenschildkröten können in Gefangenschaft aufgrund guten, konstanten Haltebedingungen ein Alter von über 180 Jahren erreichen. Historisch belegt ist das Alter der Strahlenschildkröte mit dem Namen Tuʻi Malila (* vor 1778; † 19. Mai 1965), die die königliche Familie von Tonga gemäß der Überlieferung von Kapitän James Cook geschenkt bekam.  Die Schenkung durch Cook soll demnach 1777 während seiner dritten Südseereise erfolgt sein. Bei einem Besuch von Königin Elisabeth II. und Prinz Philipp 1953 präsentierte Königin Salote den beiden die Schildkröte als „älteste Bewohnerin ihres Königreichs“. Das Tier lebte bei der königlichen Familie bis zu seinem natürlichen Tod am 19. Mai 1965. Nach diesen Angaben wäre Tuʻi Malila mindestens 188 Jahre alt gewesen. Sie galt damit als die älteste aller Schildkröten und zugleich aller Landwirbeltiere, bis 2006 das Alter der indischen Riesenschildkröte Adwaita bekannt wurde, die mit vermutlich 255 Jahren noch ein weit höheres Alter erreichte.