Kleine Juwelen

Der Schlupf von kleinen Strahlenschildkröten kann mehere Tage in Anspruch nehmen. Wir belassen die Schlüpflinge immer so lange im Brutapparat, bis sie vollständig aus dem Ei gekrabbelt und keine allzu grossen Reste des Dottersacks am Bauch zu sehen sind. Auch wenn es gut gemeint ist, raten wir dringend davon ab schwachen Babies in irgend einer Form Geburtshilfe zu leisten. Schaffen es die Kleinen nicht selbständig und aus eigener Kraft aus dem Ei zu Schlüpfen, sind sie meistens nicht Überlebensfähig und sterben auch trotz Komfortpflege aufgrund von Schwäche und Entkräftung Wochen später. Jungtiere, die mit einem noch relativ grossen Dottersack schlüpfen, belassen wir noch ein paar Tage in separaten und mit leicht angefeuchteten Küchenpapier ausgelegten, warmen Behältern, bis die Nabelregion sich schliesst.

Nach dem Schlupf werden sie in Aufzuchtwannen im Innengehege umgesiedelt. Die Aufzuchtwannen (100x100x25) sind mit einem Gemisch aus lehmiger Gartenerde und Sand ca. 10 cm tief gefüllt. Ein Bereich wird immer leicht feucht gehalten und täglich besprüht. Rindenstücke, Wurzeln, eingegrabene Blumentöpfe und Tonscherben dienen den Kleinen als Unterschlupf- und Versteckmöglichkeit. Saisonal kann in diesen Wannen auch Gras und Wiesenkräuter angesäht werden. Auch ein paar Grasbüschel oder Sukulenten können problemlos miteingebracht werden. Ein Paar zerstossene Sepiastücke, Eierschalen und Muschelgrit gehören noch zur selbständigen Calciumversorgung mit in die Wanne. Mehere Lucky Reptile Bright Sun Desert Strahler (150 Watt) mit Vorschaltgerät sind in verschiedenen höhen über den Aufzuchtwannen angebracht und sorgen für Wärme, Licht und UV-Versorgung. Wann immer möglich sind die Jungtiere jedoch im Aussengehege in einem abgetrennten Bereich mit beheizbarem Schutzhaus untergebracht und tanken dort, wie die adulten Tiere, natürliches Sonnenlicht. Das Aussengehege der Babyschildkröten ist zusätzlich mit einem Netz überspannt, um die Kleinen vor Raubvögeln zu schützen.

Gleich nach dem Schlupf beginnen die Babys selbständig zu trinken und zu fressen. Kleingeschnittenes und mundgerechtes Premiumfutter (siehe Rubrik Futter) wird täglich angeboten. Eine proteinarme Ernährung mit hohem Rohfaseranteil und einem ausgewogenen Calcium-Phosphor-Verhältnis (2:1) während der Aufzucht, sollte unbedingt angesterbt und konsequent umgesetzt werden. Noch mehr als bei anderen Schildkrötenarten neigen Jungtiere von Astrochelys radiata im Wachstum, bei unsachgemässer Ernährung zu Höckerbildung des Panzers, Stoffwechselstörungen und Organschäden. Jungtiere haben gegenüber adulten Exemplaren einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf, deshalb bieten wir dreimal die Woche Wasser in ganz flachen Schalen an oder baden sie vorsichtig darin. Achten Sie bei der Auswahl der Wasserschale auf besonders flache und nicht rutschige Schalen, da die Babies sonst leicht umkippen und ertrinken können. Der Flüssigkeitsbedarf nimmt mit zunehmendem Alter ab und sollte nach zwei bis drei Jahren auch langsam reduziert werden (siehe Rubrik Wasser).

Bei der Aufzucht ist eine erhöhte Luftfeuchtigkeit von 70% bis 80% unerlässlich, weil sonst bei Wachstumsschüben die feinen, weissen und stark durchbluteten Wachstumsnähte zwischen den Panzerplatten austrocknen und es zu einer Wachstumsstörung kommen kann. Kleine Strahlenschildkröten, die mit permanent zu niedriger Luftfeuchtigkeit aufgezogen werden, neigen trotz sachgemässer Ernährung zu unschöner Höckerbildung. Eine hohe Luftfeuchtigkeit lässt sich durch Luftbefeuchter, Ultraschallvernebler, eine üppige Bepflanzung und das tägliche, sanfte Besprühen des Schildkrötenpanzers mit warmen Wasser erreichen.

Jungtiere zeigen in den ersten Lebensjahren noch ein ausgeprägtes Fluchtverhalten. Es ist anzunehmen, dass sich Schlüpflinge in freier Wildbahn gleich nach dem Schlupf vor Fressfeinden in Sicherheit bringen wollen und sofort Schutz in Verstecken suchen. In den ersten Lebensjahren und bis zu einer bestimmten Grösse leben die jungen Schildkröten verborgen im Dickicht und vergraben sich bei grosser Hitze unter Laub im sandigen, feuchten Boden um sich vor Austrocknung zu schützen. Durch ihre Babyzeichnung sind sie hervorragend auf dem Boden und in vertrockneten Pflanzenresten getarnt. Im Unterholz von Trockenwäldern herrscht durch das herabgefallene und verottende Laub ein besonderes Mikroklima, welches für das Wachstum von Jungtieren perfekt geeignet ist und deshalb bevorzugt als Kinderstube genutzt wird. Dieses Biotop kann man gut mit etwas Laub auf sandigem und feuchtem Untergrund in den Aufzuchtwannen nachempfinden. Nach etwa 1 ½ Jahr sind mit dem Auftreten der ersten wachstumsringe die ersten Ansätze von der späteren Strahlenzeichnung erkennbar.

Es sei an dieser Stelle nochmals dringend darauf hingewiesen, dass Schlüpflinge von Astrochelys radiata keine Terrarientiere sind, und es nicht möglich ist, sie ohne regelmässigen Zugang zu natülichem Sonnenlicht gesund grosszuziehen.