Die Haltung und Zucht von streng geschützen Wildtieren ausserhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes wird in der Tat zu Recht äusserst kontrovers disskutiert. Mit Sicherheit ist es unbestritten, dass sich Tiere immer im natürlichen Lebensraum am wohlsten fühlen und auch die besten Chancen auf Vermehrung und Fortbestand haben. Was aber, wenn der natürliche Lebensraum immer weniger bzw. bald nicht mehr existent ist und die Art aufgrund verschiedener Umstände und Faktoren weiterhin unaufhaltsam dezimiert wird? Was, wenn die Zerstörung der Biotope bereits so weit fortgeschritten ist, so dass die Tiere ohne die Hilfe des Menschen nicht mehr überleben können? Reichen die letzten, verblieben Trockenwälder in Naturschutzreservaten tatsächlich aus um eine genetische Vielefalt zu erhalten und somit das Überleben einer Art auch in Zukunft zu garantieren? Gibt es zur Arterhaltung tatsächlich keine Alternativen als überfüllte, madagassische Auffang- oder Zuchtstationen, mit mangelden Recourcen und ohne Aussicht auf eine sichere Auswilderung?

Es ist wahrlich ein Dilemma, denn ohne vollumfänglichen Schutz, den Erhalt und die Erweiterung der natürlichen Lebensräume auf Madagaskar wird Astrochelys radiata immer eine Wackelkandidatin auf der Artenschutzliste bleiben! Auch internationale Konventionen und restrektive Verbote, die den Handel und die Nutzung der Tiere regulieren, können das Aussterben dieser Art nicht verhindern solange die natürlichen Habitate auch in Zukunft intakt und existent bleiben. Tatsache ist, dass ohne das rechtzeitige Eingreifen, den sofortigen Schutz, sowie gezielte Nachzuchtprogramme in den vergangenen Jahren auch die Madagassische Strahlenschildkröte bereits von diesem Planeten verschwunden wäre. Vermutlich ist die einzige Legitimation für die Haltung und Zucht von Astrochelys radiata ausserhalb von Madagaskar, dass dadurch die schwindenden, natürlichen Bestände vor Ort geschont werden und dass mit jeder legalen Nachzucht eine Entnahme aus der Natur überflüssig wird und somit ganz nebenbei auch der weltweite Tierschmuggel etwas mehr zum Erliegen kommt. Sollten lokale Strahlenschildkrötenpopulationen schneller als erwartet aussterben und madagassische Zuchtstationen längere Zeit aus tierseuchentechnischen Gründen unter Quarantäne stehen, könnte sich die Schaffung und Erhaltung von unterschiedlichen, genetischen Strahlenschildkrötenpools ausserhalb von Madagaskar plötzlich als äusserst nützlich erweisen.

Tatsächlich haben sich in den letzen Jahren auch unsere Prioritäten und Sichtweisen in Bezug auf die Haltung und Zucht von madagassischen Strahlenschildkröten stark gewandelt. Der anfängliche ambitionierte Fokus auf gezielte Nachzuchtprogramme liegt heute vermehrt auf einer artgerechten und naturnahen Haltung dieser wunderschönen Tiere. Heute nutzen wir unsere gesammelten Erfahrungen mit Astrochelys radiata hauptsächlich für das Vermitteln und den Austausch von Wissen. In dem Sinne steht auch diese Homepage als Informationsplattform allen Interessent*Innen zur freien Verfügung. Zugegeben sehen wir heute aus einer moralischen und tierethischen Sicht auch unsere Strahlenschildkrötenhaltung in der Zentralschweiz vermehrt kritisch an. Ist es tatsächlich sinnvoll unter grossem, energietechnischen Aufwand eine streng geschützte Species zu halten, die so gar nicht in unsere Breitengrade gehört? Hätten wir die Gewissheit, dass von heute an alle Strahlenschildkröten auf Madagaskar in Sicherheit wären, würden auch wir nach Mitteln und Wegen suchen um unsere Zuchtgruppe wieder in ihre ursprüngliche Heimat zu überführen.